Passover
Verena Landaus Serie »passover« ist mehr als eine statische Darstellung abwesender Gesellschaft; sie beabsichtigt auch, die Erfahrung jener fehlenden Gesellschaft zu erzeugen. Oder anders gesagt: Sie erzeugt die Erfahrung, dass Gesellschaft noch immer fehlt. Schon die Präsentation der Malereien, aus denen die Serie besteht, zielt darauf ab, dass der Betrachter die Werke nicht als separate Gebilde, sondern als einen einzigen vereinten, dynamischen Akt wahrnimmt. Auf merkwürdige Weise fällt die Einzelhaftigkeit der Gemälde in der sie vereinenden Wahrnehmung von ihnen ab, jedoch nur im Vorübergehen. Landau will den Titel »passover« wörtlich genommen wissen: Er verkörpert den Befehl, daran vorbeizugehen. Somit deutet die Serie schon ihre eigene Unfähigkeit an, etwas Festgelegtes, Greifbares zu sein. Und darin liegt einer ihrer fesselndsten Aspekte. Ihre Schönheit ist die Schönheit einer Gesellschaft, deren Abwesenheit in den flüchtigen Überbleibseln leerer Rolltreppen, Flughäfen, Parkhäusern, Drehtüren aufblitzt – in den leeren Orten des Übergangs.

Dies sind Orte, die wir auf unserem Weg an einen anderen Ort teilweise oder vorübergehend beleben. Sie sind Orte zwischen den Zielen und daher verweisen sie auf jenen transitorischen und unvollendeten Raum, den eine vollkommen anwesende, angekommenen Gesellschaft ausfüllen sollte. Dies ist die Schönheit abwesender Gesellschaft.
Von Tom Huhn

In: Verena Landau, Passages, Passengers, Places, Hirmer Verlag München, 2013, S. 60
Quelle [Auszug]: Tom Huhn, in: Still Missing: Beauty Absent Social Life [Ausst.-Kat. New York School of Visual Arts], New York City 2006

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Prof. Tom Huhn
Philosoph /AB, Sarah Lawrence College, New York /MA, PhD, Boston University
Professor /Chair of the Art History Department at the New York School of Visual Arts
Autor; lebt und arbeitet in New York und Rom
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