Rosi Steinbach

Wer ist Rosi Steinbach:
Sie ist eine Künstlerin, die mit Keramik arbeitet, aber sie ist, das sei gleich klargestellt, keine Keramikerin im Sinne von einer Keramikmärkte bedienenden Kunsthandwerkerin. Ihr geht es nicht um die Funktionalität der Form, sondern um ihre Freiheit. Hier liegt der Unterschied.

Rosi Steinbach versteht es, das Plastische in seiner sehr persönlichen Art zu begreifen – traditionsgebunden [denken Sie nur an die Renaissance-Keramik von Giovanni und Andrea della Robbia oder die Terrakottakunst des 19. Jahrhunderts in Berlin, die von Karl Friedrich Schinkel und der Rauch-Schule entworfen wurde], andererseits auch ganz zeitgeistig – zumindest im Blick auf ihre Themen und gern auch mal im Sinne von Pop.

Zwischen Tradition und Erneuerung hat die Künstlerin ihren Platz gefunden und, das ist nicht unwesentlich, öffnet uns damit eine neue Tür in Richtung Vergangenheit. Sie lässt uns die Alten und ihre Kunst neu sehen.

Rosi Steinbach ist orientiert auf die realistische Darstellung von Menschen, Tieren und Gegenständen. Von besonderer Qualität sind ihre Porträtbüsten, Tierfiguren und Waldstücke. Diese Qualität besteht darin, dem Publikum als Erkenntniswerkzeug zu dienen, ihm in der Betrachtung ungewohnte Bezüge zu eröffnen und ihm damit letztlich eine eigene Welt neu zu erzeugen.

Ich möchte Beispiele nennen:
»Seat« [von 2020], ein baumstumpfähnlicher glasierter keramischer Unterbau, auf dem ein Textilkissen mit Goldfäden liegt. Besondere Beachtung verdient das keramische Objekt, weil in seine Sockelzone diverse bildliche Darstellungen im Stil Delfter Fliesen implantiert wurden. Sie zeigen Szenen aus Pop-Kultur, Werbung und Kunstgeschichte: aus dem Film »Easy Rider«, den »Marlboro-Man«, Édouard Manets »Frühstück im Grünen« und Caspar David Friedrichs »Zwei Männer in Betrachtung des Mondes«. An diesem Werk zeigt sich in besonderem Maße eine Begabung der Künstlerin: Sie hat Humor und besitzt ein Verständnis für seine zuweilen subversive Qualität.

Schauen Sie sich nur den lustig an die Wand gekneteten Schriftzug »Schönes Leben« an. Wie Russisch Brot. Da bleiben eigentlich keine Fragen offen.

In der Art und Weise, wie sie verschiedenen Szenen, Material-Kombinationen und Formverhältnisse, wie sie High und Low, das Akademische und das Populäre, aufeinanderprallen lässt, provoziert sie ungeahnte Interpretationszusammenhänge. Sie riskiert eine Gratwanderung auf des Messers Schneide zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit.

Nichts hier ist zufällig und kaum etwas entbehrlich. Dem aufmerksamen Publikum bereitet das sicherlich hohen Genuss.

Das ist auch bei der Arbeit »Cactus« [von 2020] der Fall. Die Zurschaustellung eines vertrockneten, seltenen vierrippigen »Kaktus der vier Winde« aus den Bergen Boliviens, der in frischer Form Meskalin enthält und den die Indigenen als heilig verehren, ist hier eine ausgedorrte Projektionsfläche für Allerleirausch-Verzückte, eine handfeste Enttäuschung für alle High-Ländler und zugleich eine Parodie auf moralisierende Ansprüche selbstberufener Drogenpolitiker. Da lacht man sich doch ins Fäustchen.

Rosi Steinbach reizt die Vorzüge der Keramik aus, ist spielerisch erfolgreich in der Testung der Möglichkeiten, die das Material ihr zu bieten vermag - von den haptischen Eigenschaften bis zu den Finessen der Glasur – und bricht en passant überlieferte oder bestehende ästhetische Konstrukte.

Die Porträtbüsten führen Neo Rauch, Daniel Richter und Jonathan Meese vor, wie wir sie kennen und doch wieder nicht kennen: Während Deko-Schiller zur Gartenbüste wird, mutiert das Dreigespann Rauch/Richter/Meese zum Bisquit der sittlichen Welt auf dem Kunstmarkt.

Eine Serie, auf das sie sich lange konzentriert hat, sind die »Waldstücke« der Künstlerin. Es mag auf den ersten Blick merkwürdig wirken, dass Rosi Steinbach diese knorrigen Stubben aus Wald und Unterholz als kunstwürdig erachtet. Aber die Art und Weise wie sie die bizarr zerklüfteten Wurzelstöcke aus ihrer Starre erlöst und zu künstlerischem Leben erweckt, ist virtuos.

Die applizierten Merkwürdigkeiten sind ebenso surreal wie dekorativ und dabei in ihrer Anordnung so schwerwiegend ambivalent wie Hexensprüche: Wir vernehmen sie, können sie jedoch nicht adäquat deuten. Belassen wir es dabei. Das Geheimnis des Zauberspruchs ist das Geheimnis, keineswegs die Lösung. Nur was der formalen Logik zuwiderläuft, kann höhere Bedeutung gewinnen.

Die Fabulierkunst von Rosi Steinbach kann überdies politisch werden.
Ihr hockender Gorilla mit gezücktem Messer thematisiert nicht die wehrlose Kreatur, die den menschlichen Irrsinn ertragen muss, sondern eine wehrhafte Spezies, die zum Gegenangriff übergeht.
Und das ist keine Fiktion. Weil der Mensch ihren Lebensraum verändert, schlagen immer mehr Tierarten zurück. Etwa die Rhesus-Affen im Regierungsviertel von Neu Delhi oder Paviane in Kapstadt.
Konflikte zwischen Menschen und Wildtieren haben in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen! Ob durch Jagd, Gifteinsatz, urbane Besiedlung oder Klimawandel - der Mensch macht es der Tierwelt schwerer denn je. Doch diese verteidigt sich nun.

Rosi Steinbach ist mit ihrer Fabulierkunst nie niedlich. Sehr genau unterläuft sie Konventionen und zwischen Skurrilität und Beunruhigung glänzt manchmal nur die Glasur, die eine Instabilität überdeckt, die auch als ästhetische Antwort auf existentielle Herausforderungen zu verstehen ist.
Christoph Tannert

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