Katrin Brause a.k.a. Heichel
Es wird hell
Draussen ist feindlich
Schliess dich ein mit mir
Hier sind wir sicher
Ich liebe Dich
Vergiss es
[Blixa Bargeld, Einstürzende Neubauten, LP Kollaps, 1981]
I
Katrin Heichel schafft Räume. Eine sechszeilige Prosa-Miniatur aus einem Songtext fasst Malerei und Installation dieser Schau zusammen: Eine Zuflucht, aus Worten und Wünschen gebaut und bis zum Schwur manifestiert, um sie im letzten Moment wieder einzureißen und weiterzuziehen, von Ort zu Ort, von Mensch zu Mensch, entlang der Lebensphasen, wechselnden Erfahrungen und neuen Bedürfnisse.
Heichels menschliche Gehäuse sind eine höchst temporäre Angelegenheit und das Gegenteil vom Heimat-Dogma. Zwischen praktischer Wohnungssuche, verschwiegen romantischer Rückzugsnische und dringlichem Schutzraum schafft Heichel auf großen Formaten [Öl auf Leinwand] Raumillusionen. In klug ausdifferenzierter Atmosphäre fragt sie nach Formen der Geborgenheit, doch ist ebenso das Hermetische dieser Quartiere präsent, bis zum Hinterhalt.
Die im Titel »Heim. Ich gehe jetzt« angelegte Gegenbewegung von Ankommen und Aufbruch meint den Menschen, doch die Protagonisten sind nie anwesend, lassen nur ihre Spuren lesen. Heichel schafft hier Stillleben »hinter den Menschen«, die einer ambivalenten Sehnsucht ihre Räume geben und ihr Inventar zum Milieu arrangieren.
Aus der Ferne scheint »Heim II [Richtfest]« eine verlockende Idylle vor grell blauem Himmel. In Nahaufnahme zeigt sich ein unbrauchbarer Starenkasten, fragmentiert, mit offenen Seiten, farbverschmierten Holzleisten, signalrotem Wimpel und auffallend buntem Richtkranz. Das halb vernagelte Einflugloch wird zur kafkaesken Falle. »Draußen ist feindlich« gibt Einblick in eine kindliche Bude aus gespanntem Strick zwischen Lattenrost, Leiter und Wand, abgeschirmt mit Decken und Tüchern, ausgerüstet mit Kissen und Decken als Barrikaden nach außen und Nest-Höhle nach innen und »Caravan“ kann einen opulent zugepolsterten Unterschlupf noch steigern um das Attribut der Mobilität.
So führt jedes Interieur ein Interview mit dem Betrachter, fragt ihn jeweils nach der Balance aus Neid und Mitleid, Sympathie und Befremden und erinnert an den menschlichen Ur-Instinkt, sich zu verbergen. Heichel ist Komplize der Suchenden und lässt überwiegend freundliche Refugien sehen, in hellen, kräftig warmen Farben, sommerlichen Mustern und empfangsbereit – aber sie warnt auch vor Täuschungen.
Unter den wiederkehrenden Bildprotagonisten findet sich eines von Heichels Leitmotiven wieder; mit der Holzleiter kommt das selbstreflexive Element zwischen die Bildgegenstände. Auf- und Abstieg, Einstieg oder Ausstieg, Drin- oder Draußen-Sein, oben oder unten stehen - poetologisch ist die Leiter bei Heichel nicht nur Tragwerk in den Bildwelten, sie wird Träger ihrer Ideen und zur Metapher für deren Aneignung.
Die raumgreifende Installation »Ich gehe jetzt« zeigt Triviales: Stuhl, Tisch und Bett mit deutlichen Atelierspuren und gestapelte kleine Leinwände mit Farbresten, dazu ein Eimer mit den endgültig verbrauchten Dingen – der Bodensatz des Künstleralltags. Dazwischen lehnt sinnschwer eine abgebrochene Leiter – anbetungswürdig vergoldet, einem Heiligtum gleich. Vielleicht Symbol der Flieh-Kräfte, die das zeitgemäße Erfolgsleben immer wieder aus der Spur drücken und Fluchtgedanken keimen lassen.
So kann sich die ganze Inszenierung kaum dagegen wehren, als Porträt gelesen zu werden, eine Raum-Hülle wie nach einer Häutung, zurückgelassen wie ein abgetanes Kleidungsstück, ein überlebtes Heim. Der Indikativ »Ich gehe jetzt« ist hier schon verklungen.
Der Installation und den großformatigen Malereien in Öl auf Leinwand steht eine Folge kleiner Formate gegenüber, die seit 2014 lose die Tafelbilder begleiten. In wunderbarer Formulierung zwischen minutiös exakt, flächig abstrakt und pastos hat Heichel eine Serie von Disteln geschaffen. Die »BB« – die bösen Blumen – wehrhafte Lebenskünstler mit großem Anpassungspotenzial, oft vertrieben und dann heimisch geworden, wo es anderen kaum gelingt, sind die ersten in der Wüste und die letzten im Gebirge. Als Heim-Finder talentiert wie kaum ein anderes Geschöpf sind sie in der Schau die Existenzialisten: geworfen in ein Dasein aus den Zufällen von Ort, Zeit und Umständen, auf Gedeih - oder Verderb.
II
Ins Leben übersetzt wären dieses Scheitern und die folgerichtige Korrektur zu bejahen. Heichel hat das als konstitutives Moment in ihr Werk integriert und startet in dieser Ausstellung eine Langzeitstudie ihres Schaffens: Scheitern – Phase I
Ausgangspunkt ist die Arbeit »Scheitern [Connection]« von 2013. Heichel hat sie weiter entwickelt, hat das Hochformat [210 x 300 cm, Öl und Eitempera auf Leinwand], eine undurchdringliche Pyramide aus Brettern, einem Scheiterhaufen gleich, in ein Querformat gekippt, nennt es »Scheitern [Heim III]« und übermalt es zu einem Verschlag mit blauer Couch als Interimsbleibe. Ähnlich einem Hochsitz und ambivalent zwischen Obdach und Falle kommen jetzt wiederum die Holzleitern ins Spiel und mit ihnen eine euphemistische Perspektive Richtung Zukunft, Aufbruch und Sehnsucht. In 5-Jahres-Intervallen wird das Werk ab jetzt überarbeitet und jeweils aktuell der Werkphase und dem Thema angepasst – eine malerische Konzeptarbeit – ein Lebenswerk.
Es wird sich mehr oder weniger verändern, vor allem aber wird es die Verbindung aus dem »zerstörerischen Zweifel« und der »bejahenden Stärke«, die Heichels Werk in besonderer Weise kennzeichnet, fortsetzen.
Sich coram publico auf diese Weise selbst zu beobachten und zu bekennen ist nicht jedes Künstlers Sache und es setzt vorausgeahnte lebenslange Verwerfungen und Neuanfänge voraus. Das von vorn herein zu bekennen und bewusst zu zeigen, ist stark. Heichel weiß, worauf sie sich einlässt; »Malerei ist nicht nett ... sie frisst das Leben mitunter auf«.
—Von Tina Simon
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Dr. phil. Tina Simon
Autorin und Publizistin, Leipzig
Draussen ist feindlich
Schliess dich ein mit mir
Hier sind wir sicher
Ich liebe Dich
Vergiss es
[Blixa Bargeld, Einstürzende Neubauten, LP Kollaps, 1981]
I
Katrin Heichel schafft Räume. Eine sechszeilige Prosa-Miniatur aus einem Songtext fasst Malerei und Installation dieser Schau zusammen: Eine Zuflucht, aus Worten und Wünschen gebaut und bis zum Schwur manifestiert, um sie im letzten Moment wieder einzureißen und weiterzuziehen, von Ort zu Ort, von Mensch zu Mensch, entlang der Lebensphasen, wechselnden Erfahrungen und neuen Bedürfnisse.
Heichels menschliche Gehäuse sind eine höchst temporäre Angelegenheit und das Gegenteil vom Heimat-Dogma. Zwischen praktischer Wohnungssuche, verschwiegen romantischer Rückzugsnische und dringlichem Schutzraum schafft Heichel auf großen Formaten [Öl auf Leinwand] Raumillusionen. In klug ausdifferenzierter Atmosphäre fragt sie nach Formen der Geborgenheit, doch ist ebenso das Hermetische dieser Quartiere präsent, bis zum Hinterhalt.
Die im Titel »Heim. Ich gehe jetzt« angelegte Gegenbewegung von Ankommen und Aufbruch meint den Menschen, doch die Protagonisten sind nie anwesend, lassen nur ihre Spuren lesen. Heichel schafft hier Stillleben »hinter den Menschen«, die einer ambivalenten Sehnsucht ihre Räume geben und ihr Inventar zum Milieu arrangieren.
Aus der Ferne scheint »Heim II [Richtfest]« eine verlockende Idylle vor grell blauem Himmel. In Nahaufnahme zeigt sich ein unbrauchbarer Starenkasten, fragmentiert, mit offenen Seiten, farbverschmierten Holzleisten, signalrotem Wimpel und auffallend buntem Richtkranz. Das halb vernagelte Einflugloch wird zur kafkaesken Falle. »Draußen ist feindlich« gibt Einblick in eine kindliche Bude aus gespanntem Strick zwischen Lattenrost, Leiter und Wand, abgeschirmt mit Decken und Tüchern, ausgerüstet mit Kissen und Decken als Barrikaden nach außen und Nest-Höhle nach innen und »Caravan“ kann einen opulent zugepolsterten Unterschlupf noch steigern um das Attribut der Mobilität.
So führt jedes Interieur ein Interview mit dem Betrachter, fragt ihn jeweils nach der Balance aus Neid und Mitleid, Sympathie und Befremden und erinnert an den menschlichen Ur-Instinkt, sich zu verbergen. Heichel ist Komplize der Suchenden und lässt überwiegend freundliche Refugien sehen, in hellen, kräftig warmen Farben, sommerlichen Mustern und empfangsbereit – aber sie warnt auch vor Täuschungen.
Unter den wiederkehrenden Bildprotagonisten findet sich eines von Heichels Leitmotiven wieder; mit der Holzleiter kommt das selbstreflexive Element zwischen die Bildgegenstände. Auf- und Abstieg, Einstieg oder Ausstieg, Drin- oder Draußen-Sein, oben oder unten stehen - poetologisch ist die Leiter bei Heichel nicht nur Tragwerk in den Bildwelten, sie wird Träger ihrer Ideen und zur Metapher für deren Aneignung.
Die raumgreifende Installation »Ich gehe jetzt« zeigt Triviales: Stuhl, Tisch und Bett mit deutlichen Atelierspuren und gestapelte kleine Leinwände mit Farbresten, dazu ein Eimer mit den endgültig verbrauchten Dingen – der Bodensatz des Künstleralltags. Dazwischen lehnt sinnschwer eine abgebrochene Leiter – anbetungswürdig vergoldet, einem Heiligtum gleich. Vielleicht Symbol der Flieh-Kräfte, die das zeitgemäße Erfolgsleben immer wieder aus der Spur drücken und Fluchtgedanken keimen lassen.
So kann sich die ganze Inszenierung kaum dagegen wehren, als Porträt gelesen zu werden, eine Raum-Hülle wie nach einer Häutung, zurückgelassen wie ein abgetanes Kleidungsstück, ein überlebtes Heim. Der Indikativ »Ich gehe jetzt« ist hier schon verklungen.
Der Installation und den großformatigen Malereien in Öl auf Leinwand steht eine Folge kleiner Formate gegenüber, die seit 2014 lose die Tafelbilder begleiten. In wunderbarer Formulierung zwischen minutiös exakt, flächig abstrakt und pastos hat Heichel eine Serie von Disteln geschaffen. Die »BB« – die bösen Blumen – wehrhafte Lebenskünstler mit großem Anpassungspotenzial, oft vertrieben und dann heimisch geworden, wo es anderen kaum gelingt, sind die ersten in der Wüste und die letzten im Gebirge. Als Heim-Finder talentiert wie kaum ein anderes Geschöpf sind sie in der Schau die Existenzialisten: geworfen in ein Dasein aus den Zufällen von Ort, Zeit und Umständen, auf Gedeih - oder Verderb.
II
Ins Leben übersetzt wären dieses Scheitern und die folgerichtige Korrektur zu bejahen. Heichel hat das als konstitutives Moment in ihr Werk integriert und startet in dieser Ausstellung eine Langzeitstudie ihres Schaffens: Scheitern – Phase I
Ausgangspunkt ist die Arbeit »Scheitern [Connection]« von 2013. Heichel hat sie weiter entwickelt, hat das Hochformat [210 x 300 cm, Öl und Eitempera auf Leinwand], eine undurchdringliche Pyramide aus Brettern, einem Scheiterhaufen gleich, in ein Querformat gekippt, nennt es »Scheitern [Heim III]« und übermalt es zu einem Verschlag mit blauer Couch als Interimsbleibe. Ähnlich einem Hochsitz und ambivalent zwischen Obdach und Falle kommen jetzt wiederum die Holzleitern ins Spiel und mit ihnen eine euphemistische Perspektive Richtung Zukunft, Aufbruch und Sehnsucht. In 5-Jahres-Intervallen wird das Werk ab jetzt überarbeitet und jeweils aktuell der Werkphase und dem Thema angepasst – eine malerische Konzeptarbeit – ein Lebenswerk.
Es wird sich mehr oder weniger verändern, vor allem aber wird es die Verbindung aus dem »zerstörerischen Zweifel« und der »bejahenden Stärke«, die Heichels Werk in besonderer Weise kennzeichnet, fortsetzen.
Sich coram publico auf diese Weise selbst zu beobachten und zu bekennen ist nicht jedes Künstlers Sache und es setzt vorausgeahnte lebenslange Verwerfungen und Neuanfänge voraus. Das von vorn herein zu bekennen und bewusst zu zeigen, ist stark. Heichel weiß, worauf sie sich einlässt; »Malerei ist nicht nett ... sie frisst das Leben mitunter auf«.
—Von Tina Simon
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Dr. phil. Tina Simon
Autorin und Publizistin, Leipzig