Photography 1: Till Exit, Andy Heller,
Jörn Lies, Thomas Steinert, Helfried Strauß
10. März—21 April 2007

»Photography #1« ist Ausblick und Rückblick zugleich. Ausblick auf zeitgenössische Fotografie die sich neben Malerei und Skulptur bei Filipp Rosbach nun etabliert. Rückblick auf die ambitionierten Fotografieausstellungen, die in der Projektgalerie in der Nonnenstraße stattgefunden haben. Alle Künstler dieser Ausstellung waren in den letzten 10 Jahren in der Projektgalerie mit Einzelausstellungen vertreten. Zum Teil mit ihren Diplom- oder Meisterschülerausstellungen. Diese Ambitionen werden in der Galerie - jetzt unter marktrelevanten Bedingungen - fortgesetzt.

Till Exit zeigt mit »Innen-Raum, außen« Arbeiten aus einer über Jahre entstandene Fotoserie, die leer stehende Industrieräume im Leipzig zeigt. Alle Räume wurden sich selbst überlassen und sind dem Verfall anheim gefallen. Der Bildaufbau ist streng frontal, sodass die Rückwand des Innenraumes in Blicknähe rückt und die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Es entsteht der Eindruck einer Bildkulisse, sodass der Raum zum Aktionsraum wird. Was auf dieser Bühne erzählt wird, ist die Geschichte des Raumes selbst, die verschiedenen Nutzungen, die sich an den Spuren verschiedener Generationen ablesen lassen. Bei aller narrativen Qualität, wahren die Bilder auch Distanz. Dazu trägt maßgeblich bei, dass Till Exit ein mattes Glas vor seinen Fotografien stellt. Damit bewirkt er eine Unschärfe sowie je nach Blickpunkt verschiedene Tiefen.

Das fotografische Interesse der Künstlerin Andy Heller gilt den Gegenständen und deren Verortung im Raum. Wie in der Reihe »räumen« achtet sie dabei im Besonderen auf die kleinen, leicht zu übersehenden Details. Heller fotografierte sie, sammelte sie: »Immer wieder kehre ich in zurück und fotografiere einen Ort mehrfach von verschiedenen Standpunkten aus zu verschiedenen Zeitpunkten. Ich verweile lange an einer Stelle, warte ab. Manchmal taucht unerwartet ein Tier in meinem vorgewählten Bildausschnitt auf, betrachtet das Geschehen mit Interesse und wird Teil des Bildes. Es fügt sich neben den vorgefundenen Objekten und der ausschnitthaften Landschaft als weiteres Detail in das Bild ein. Diese Detailaufnahmen der Dorfansichten sind exemplarisch, und wie in meinen vorangegangen Arbeiten erzeugen sie in ihrer Gesamtheit ein Bild des Ortes.«

Jörn Lies versteht seine Bilder als Modellbilder. In ihnen versucht er, den Zustand der Verschmelzung zwischen Mensch und Natur zu entwerfen, wobei es ihm um das gefühlsmäßige sich-wieder-eingliedern in ein System geht, von dem wir uns sowieso nicht lossagen können. Dabei spielt auch ein religiöser Aspekt eine Rolle, denn dies ist ja die Grundidee von Religion: sich mit etwas zu verbinden, was man nie ganz fassen kann. Und so erzählen seine Bilder von einer Sehnsucht. Von der Sehnsucht des Menschen, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Wieder einzutauchen in das, aus dem wir hervorgegangen sind und von dem wir uns zwar distanzieren können [und müssen, um Mensch zu sein], von dem wir aber nie ganz getrennt sind. Mit »In den Wäldern« zeigt Lies eine umfangreiche Arbeit, bei der kein Bildformat einem zweitem gleicht.

Die Veröffentlichung des Fotobuches von Thomas Steinert im Herbst 2006 und die anschließende Werkschau im Leipziger Stadtgeschichtlichen Museum wurden als Debüt eines bedeutenden Fotografen gefeiert. Mit seinen präzisen s/w Aufnahmen aus den 70 und 80igern und den dazugehörigen Titeln gelingt es Steinert mit einem Bild eine ganze Geschichte zu erzählen. In den streng komponierten Fotografien von großer Suggestivkraft entdeckt er die grotesken Situationen des alltäglichen Lebens und deutet sie geradezu allegorisch aus. Steinert hat ein Leipzig abgelichtet, das es so nicht mehr gibt. Das in großen Teilen gerettet und saniert werden konnte, weil jene Leute, die durch Steinerts Bilder marschieren - mal als Himmelsfahrts-Ausflügler, mal als Carnevalisten - 1989 mit dem selben ernsthaften Humor um den Ring marschierten. Es waren diese Verwirrten, Ratlosen, Lebenshungrigen, die am Ende einfach das eigene Leben einforderten und alles Folgende ins Rollen brachten.

Helfried Strauß war in den 70er und 80er Jahren - damals in schwarz/weiß - ausschließlich für seine Bilder von Menschen bekannt war. Ihre Lebendigkeit verwies deutlich auf Vorbilder der live-Fotografie. Sein Bildband über Moskau von 1975 erfuhr eine hohe Auflage, das Gros dieser Bilder hatte er noch in der Studienzeit erarbeitet. 1981 zeigt er am Fährhaus Höfgen seine Beobachtungen vom Leben der Fährfamilie. Erst zehn Jahre später erscheint das Buch, dessen poetische Bildfolge das bekannte Bildmaterial noch einmal ein-drucksvoll verdichtete. Helfried Strauß knüpft mit den in »Photography #1« gezeigten Arbeiten an diese wichtigen Erfahrungen an; die Bilder haben neben der Farbe an der Sicherheit der Form, auch an Distanz gewonnen. Sie stammen von verschiedenen Reisen nach Kalifornien, Syrien und Russland. Ob Urlaub, Studienreise oder Workshop, Bilder müssen sein. »Ich kann ja nichts andres« sagt Strauß. Und so finden die Bilder im Ergebnis ihre eigenen Zusammenhänge, als Bilder und als Ausdruck einer alten Sehnsucht nach friedlichen Leben.

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