Rock´n Roll Hoover /Dust Exterminator

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Vitae

Text zur Ausstellung

Rock’n’Roll Hoover /Dust Exterminator
Matias Bechtold, Joachim Blank, Michael Hauschild, Renaud Jerez,
Arnd Kaestner, Christoph Kern, Daniela Kohl, Andrea Kroth, Valentina Seidel

2. August—30. August 2008

Rock’n’Roll Hoover /Dust Exterminator
Michael Hauschild hat sich in monatelanger Prozedur einen Staubsauger auf Rücken und Arme tätowieren lassen. Hiervon waren wir von Anfang an begeistert und es entwickelte sich allmählich die Idee eine Themenausstellung zu machen.

Seit der Entdeckung feinster Partikelteilchen mit Hilfe immer leistungsfähiger Elektronenmikroskope und der wissenschaftlichen Auswertung der hierdurch gewonnen Ergebnisse setzt sich die Erkenntnis durch, dass Staub nicht nur ein uns zum Sisyphus erniedrigender Feind des uns eigenen Hanges zur Ordnung ist, sondern um so kleiner und unsichtbarer er ist, zur massiven Gesundheitsbedrohung wird. Der Staub wird nun bereits in seiner Entstehung mit immer neuen Verfahrensweisen und Verordnungen gejagt. Der Niedergang unserer Lebensbedingungen ist offenbar nur durch die vollständige Ausrottung des Staubes aufzuhalten. Wir stehen daher in den hochentwickelten Ländern vor einer staubfreien Zeit, in welcher auch der Staubsauger keine Verwendung mehr finden wird. Bis zu diesem Idealzustand wird der Staubsauger jedoch zunächst eine Entwicklung zu einem äußerst effektiven Staubbekämpfungsinstrument, dem Dust Exterminator, nehmen, und auch kleinste, selbst unter einem einfachen Mikroskop unsichtbare Partikel aus der Luft filtern, um uns wenigstens das Gefühl zu geben, wir seien wieder Herr der Lage. Gleich Kammerjägern werden wir das Gerät einschalten, sobald uns die entsprechenden Meßeinrichtungen eine bestimmte Konzentration Staub anzeigen, die unser Körper im Zweifel selbst abgesondert hat.

Was ist an einem Staubsauger aber Rock’n’Roll? Der Staubsauger ist ein zutiefst biederer Gebrauchsgegenstand, ursprünglich zur industriellen Anwendung erfunden, später zur Entlastung der Hausfrau populär vermarktet, keineswegs aber zur Befreiung des Körpers oder zum Zwecke der Rebellion gemacht. Genau besehen handelt es sich bei dem Staubsauger um ein Herrschaftsinstrument zur Leistungsoptimierung der saubermachenden - also im Zweifel dienenden - Klasse und ist deshalb ganz eindeutig nicht Rock’n’Roll. Unbezweifelt gibt es Charaktere, welche einen solchen Gewinn aus der Aufgeräumtheit ihrer Umgebung ziehen, dass ihnen schon das Staubsaugen selbst zur Freude wird, aber dies erscheint uns als noch weniger Rock’n’Roll als das dienende Saugen.

Rock’n’Roll ist jedoch, Samstag vormittag den geliehenen Wagen seiner Mutter von den Verwüstungen der vergangenen Nacht zu säubern und diesen Ermahnungen über sich ergehen lassend mit höchster Lautstärke zu saugen. Der Staubsauger verkörpert in jeder Hinsicht Unmittelbarkeit, Leid und Trost, ohne daß die Möglichkeiten seiner Zweckentfremdung wie Luftgitarre, Geldsauger oder sexuelles Hilfsmittel hinzugedacht werden müssen. Aretha Franklin hatte in ihrer berühmten Szene in Blues Brothers zwar keinen Staubsauger, sondern einen Staubwedel in der Hand, es hätte aber genauso gut ein Staubsauger sein können. Gleichzeitig gefällt sich der Rock’n’Roll schon immer darin, das Heil in der Übertreibung zu suchen. Es war bereits bei den frühen Rockern beliebt, und wurde insbesondere eine Taktik des Punkrock, sich die Dinge des spießigen Alltags anzueignen und als Trophäe mitzuführen. Selbstverständlich waren Künstlern wie Andy Warhol und Jeff Koons diese Dimensionen bewußt, als sie den Staubsauger in einer Zeit aufgriffen, in welcher der Rock’n’Roll noch roher und dichter erfahrbar war.
—Jörg Rosbach

Auf Ihren Besuch freuen sich Josef Filipp, Michaela und Jörg Rosbach.
Die Galerie ist von Dienstag bis Samstag von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

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