Ruth Habermehl »Arrêt«
15. November 2008—10. Januar 2009
Eröffnung: Freitag, 14. November, 19 Uhr

Ruth Habermehl macht Bilder aus gemachten Bildern. Aus Bildern, die einst zeitgemäß waren und heute überflüssig sind. Ausgedient allerdings haben sie noch nicht. Nicht nur weil die 1969 in der Pfalz geborene und heute in Leipzig lebende Künstlerin sich ihrer bedient. Das heißt, sie sammelt und recherchiert ausrangierte »Gebrauchsfotografien«, wie sie in Zeitschriften, Kalendern und Bildbänden der 1950er bis 70er Jahre übliche Verbreitung fanden. Um dann Hand anzulegen mit Schere und Cutter, Figuren freizustellen und Hintergründe herauszulösen, in denen diese einst fotografisch festgehalten wurden. So schafft sie sich einen Fundus an Relikten, aus denen sie in ihren Collagen ein plausibles neues Bildganzes montiert. Dass die Arbeiten von Ruth Habermehl ebenso eingängig wie beunruhigend wirken, hat sowohl mit dieser speziellen Vorgehensweise zu tun als auch mit den fast unkenntlich gemachten Brüchen der gestückten Bilder.

Bekannt geworden ist die Künstlerin vor allem mit Collagen und Cut Outs, in denen sie brav gekleidetes, oft maschenmodisch nostalgisches Personal und zusammengeschnipselte Naturidyllen zum perfekten Gesamtkunstwerk zusammenklebte. Sie spielt dabei mit Vorstellungsklischees und Verhaltensmustern - humorvoll, ironisch, hintergründig, manchmal bissig, aber nie grundlos. Es sind nicht nur Sehgewohnheiten, die sie infrage stellt. Wenn die Schnitte nicht mehr auffallen, scheint die Logik analoger Bilder auch in den Köpfen dem Bruchstückhaften medial vermittelter Weltsichten gewichen zu sein.

Seit 2006 setzt Ruth Habermehl die Collagen in großformatige C-Prints um, bearbeitet sie dabei präzise in »Richtung Glaubhaftigkeit«, manipuliert aber nicht, wie sie betont. In neueren Arbeiten verzichtet die Künstlerin auf die teils bis ins Parodistische getriebene Virtuosität bei der Puzzlearbeit mit Größen- und Farbkontrasten, Perspektiven, Oberflächen und Texturen ebenso wie auf vordergründig Klischeehaftes. Stattdessen übernimmt sie komplexe Bildelemente und -kontexte der anonymen Fotografien in subtile Kompositionen, die es ihr ermöglichen, Intentionen des Ausgangsmaterials zu filtern, weiterzutreiben, zu konfrontieren oder zu subsumieren.

Nicht von ungefähr bleiben Rückenfiguren bevorzugte Kompositionselemente. Doch jetzt rennen sie und werden gestoppt. Wollten sie flüchten? Nach wie vor gibt es keine einheitliche Perspektive, sind die Blickrichtungen disparat, Licht und Schatten parzelliert, entfaltet die inhomogene Auflösung der Bildregionen eine unheimliche Dramatik. Der ursprüngliche Kontext der gecutteten Elemente spricht phantomartig mit. Wiedererkennungseffekte sind kalkuliert, können in einigen Arbeiten durch Wortfetzen auf Hinweisschildern unterlaufen oder bestätigt werden. Ruth Habermehl lenkt den Blick zunehmend auf wiederkehrende Strategien und Stereotype des vorgefundenen Fotomaterials.
—Sigrun Hellmich

Publikation: »transformidable« Übergänge zwischen Fotografie, Installation und Malerei. Sabine Dehnel, Barbara Flatten, Ruth Habermehl, Verena Landau. Herausgegeben von Jörg Katerndahl. Texte von Sigrun Helmich, Jochen Heufelder, Jörg Katerndahl, Hendrik Pupat. 2006, Verlag für moderen Kunst Nürnberg. ISBN- 13: 978-3-938821-71-8

Ruth Habermehl [*1969 in Landau/Pfalz] lebt und arbeitet in Leipzig. 1989 Studium der Bildenden Kunst und Geographie an der Akademie für Bildende Künste, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz. 1997 Atelier und künstlerische Projekte in Guatemala [2-jähriger Aufenthalt]. 2000 Preis der 7. Leipziger Jahresausstellung.

Die Ausstellung ist von Dienstag bis Samstag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Mehr Information und Besuch nach Vereinbarung unter Telefon: 0172. 373 11 10. Auf Ihr Kommen freuen sich Josef Filipp, Michaela Rosbach und Jörg Rosbach.

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