Filipp Rosbach   Josef Filipp Galerie   Archive
September 2006—April 2022 [Archive under construction]

April 2022 || Turn of the times. Gallery boss says goodbye to retirement and his gallery. 

Josef Filipp [72] founded the gallery 17 years ago as ›Filipp Rosbach Galerie‹ with his daughter Michaela and his son-in-law Jörg Rosbach and ran it as ›Josef Filipp Galerie‹ in recent years. At the beginning of the year, he ended his active professional career, but wants to remain connected to the ›Leipzig art world‹. 


Josef Filipp curated over 200 exhibitions and was director of the Kunstverein Leipzig from 1998—2006. As initiator and curator of projects such as:

›KAUFHAUSKUNST‹ Munich 1985,
›nomad-Temporäre Kunsthalle München‹, Munich 1993,
›East of Eden‹ 1994 in Mosigkau Castle near Dessau,
›Art at the BUGA‹ Magdeburg 1999,
›Leipziger Lerchen‹ at the Kunstverein and the Städtische Galerie Speyer, 2002,
›sieben mal malerei‹ at the Museum der bildenden Künste Leipzig, 2003,

he has written art history.
With the latter two projects with emerging painters, Josef Filipp provided the prelude to the so-called ›New Leipzig School‹.

Josef Filipp
post@filipp.org
+49 172 373 11 10 

Jürgen Kleindienst, Leipziger Volkszeitung [LVZ], 18. Nov 2022, Seite 11.
„Freddie Mercury fühlte sich sauwohl“

Der Galerist Josef Filipp (72) geht in den Ruhestand. Im Interview spricht er über rauschende Feste in seiner Zeit als Gastronom in München und die Leipziger Kunst, die er viele Jahre förderte.

Leipzig. In München prägte er die Gastronomie, in Leipzig die Kunst: Mindestens zwei Leben vereint Josef Filipp in seiner Biografie. Im Interview erinnert er sich an rauschende Feste in München und spricht über Entwicklungen in der Leipziger Kunstszene. Die von ihm kuratierte Ausstellung „sieben mal malerei“ ist einer der Grundsteine für den internationalen Erfolg der Neuen Leipziger Schule zu Anfang des Jahrtausends.

Jürgen Kleindienst, LVZ: Sie haben uns für das Interview ein Foto von sich vor einem Gemälde David O’Kanes geschickt. Warum?

Josef Filipp: Das Bild „Blindsight Reenactment“ ist mir besonders ans Herz gewachsen. Es zeigt einen stattlichen jungen Mann, der sich in Bändern gefangen glaubt, dabei wäre es für ihn ein Leichtes, sich zu befreien. Das 340 mal 250 Zentimeter große Bild besitzt ein Sammler, der sich bei Flensburg eine alte Bauern-Kate gekauft hat. Die Raumhöhe beträgt aber nur 2,95 Meter. Er kann das Bild also nicht hängen und sucht dafür einen Liebhaber. Wenn eine Privatperson oder eine Institution es für die Öffentlichkeit zugänglich präsentieren will, ist auch eine Vermittlung als Leihgabe möglich.

Sie sind in diesem Jahr in den Ruhestand gegangen, ihre Galerie Josef Filipp, die Sie vor 16 Jahren als Filipp Rosbach Galerie in der Spinnerei mitbegründet haben, ist Geschichte, hat jetzt den schönen Namen „Philipp Anders“. Wie war der Übergang?

J.F: Mein Nachfolger Philipp Anders – er heißt wirklich so – war drei Jahre mein Mitarbeiter. In letzter Zeit habe ich mit ihm zusammen die Galerie geführt, und wir haben gemeinsam neue, junge Künstler angeworben, um das Portfolio der Galerie avantgardistischer, frischer und spektakulärer zu gestalten. Dabei hatten wir beide unsere Freude.

Bleiben Sie Leipzig und dem Kulturleben erhalten?
J.F: Ich genieße hier meinen Ruhestand. Auf meine Initiative hat das Museum der bildenden Künste den Vorlass des Leipziger Fotografen Thomas Steinert angekauft. Beim Aufarbeiten dieses umfangreichen künstlerisch und auch dokumentarisch wertvollen Archives werde ich ehrenamtlich mithelfen. Der für Sachsen wichtige Kunstverein in Zwickau, Freunde aktueller Kunst, hat mich in seinen Vorstand berufen. Es wird also nicht langweilig.

Gar nicht langweilig klingt auch Ihre Biografie. Sie sind eigentlich Diplom-Ingenieur, waren aber 18 Jahre Gastwirt in München. Wie kam das?
J.F: Nach meinem Studium war ich zwei Jahre Assistent an der Technischen Universität München. Diese Tätigkeit war für mich recht langweilig. Mit einem günstigen Kredit für Angestellte im öffentlichen Dienst des Freistaates Bayern eröffnete ich 1976 mein erstes Wirtshaus in München – und hatte meine Berufung gefunden. In dieser Zeit entwickelte ich als Gastronom eine ungebremste Leidenschaft für die Kunst und auch für das Leben.

Was ging damals in München ab?
J.F: Freddy Mercury mischte die Schwulenszene auf, die Stones haben in Giorgio Moroders Musicland Studios im Arabella aufgenommen, Andy Warhol und Joseph Beuys besuchten sich gegenseitig zu ihren Ausstellungen. Laurie Anderson und Lou Reed wohnten in New York zwei Blocks voneinander entfernt, haben sich aber in München kennen und lieben gelernt. Meine Lokale in Haidhausen, sedan und Kasino, gehörten mit der Bar von Charles Schumann zu den angesagtesten Läden der Stadt.

Was haben die Leute bei Ihnen so bestellt?
J.F: Lou Reed wollte Diet Coke. Wir wussten damals nicht, was das ist, also gab’s Coke Classic. Freddie Mercury trank Prosecco, um dann seine Touren durch die speziellen Clubs zu starten. Er war von 1979 bis 1985 oft in München. Von einem Lover habe ich erfahren, dass er von seiner Band ständig wegen seines Pferdegebisses gehänselt wurde. Auch kam die Band mit seinem Schwulsein nicht zurecht. In München hat er sich sauwohl gefühlt. In den Clubs wurden mit ihm Clips gedreht, die die BBC nicht sendete, da diese „zu obszön“ waren.

Gibt es Ähnlichkeiten zwischen Gastronomie- und Kunstbetrieb?
J.F: In beiden Bereichen ist die gute „Atmo“ wichtig, die aus vielen kleinen Details entsteht.

Warum gehen Sie jetzt eigentlich in den Ruhestand?
J.F: In München hatte ich quasi jeden Tag ein rauschendes Fest. Dabei habe ich meinem Körper viel zugemutet. Seit ich über 70 bin, merke ich, dass die Vergangenheit ihren Tribut fordert.

Sie leben seit 1996 in Leipzig. Was hat Sie damals nach Leipzig verschlagen?
J.F: Durch einen glücklichen Zufall durfte ich 1994 im Rokoko-Garten von Schloß Mosigkau bei Dessau die Ausstellung „East of Eden“ kuratieren. Die Künstlerliste war ein Who’s Who der internationalen Kunst – unter anderem Sophie Calle, Bruce Nauman, Dan Graham, Sylvie Fleury, Rebecca Horn, Dennis Oppenheim, Meg Cranston. Der damalige Spiritus Rector der Kunst in Leipzig, Klaus Werner, besuchte meine Show, wir haben uns angefreundet, und er lud mich zur Mitarbeit in Leipzig ein.Im Rückblick war es für mich die beste Weichenstellung.

Anfang der 2000er wurde Leipzigs Kunst als „Neue Leipziger Schule“ zur Weltmarke, Sie haben 2003 mit der von Ihnen kuratierten Ausstellung im MdbK „sieben mal malerei“ einen wichtigen Grundstein gelegt. Wie kam es dazu?
J.F: Die Vorgeschichte begann 2000 in der Nikolaistraße im Steibs Hof. Ein Freundeskreis von sechs HGB-Absolventen, alles Maler um die 30, organisierte unter dem Titel „Liga“ eine Gruppenschau in dem leerstehenden Gebäude. Ich war von der Wucht der Malerei und der Stimmigkeit der gesamten Ausstellung fasziniert. Mit der Gruppe – Tilo Baumgärtel, Peter Busch, Martin Kobe, Christoph Ruckhäberle, David Schnell und Matthias Weischer – traf ich mich häufig im Kunstverein Leipzig in der Nonnenstraße, den ich damals leitete. Wir planten eine Wanderausstellung mit der ersten Station in Speyer, die 2002 unter dem Titel „Leipziger Lerchen“ stattfand. Es wurde ein voller Erfolg. Die Luft in der Leipziger Kunstwelt flirrte. Man spürte, da ist etwas im Anrollen. Ich konnte Hans-Werner Schmidt (damaliger Direktor des MdbK, Anm. d. Red.) gewinnen, im April 2003 die Ausstellung aus Speyer im Museum der bildenden Künste Leipzig zu zeigen. Die Ausstellung, nun mit dem Titel „sieben mal malerei“ ergänzte ich in Leipzig mit Tim Eitel.

Wer hat aus Ihrer Sicht noch zum Erfolg der Leipziger Malerei beigetragen?
J.F: Klaus Werner, Gründungsdirektor der GfZK, hat den Grundstein für den Nimbus der aktuellen Leipziger Kunst gelegt. Der internationale Erfolg, insbesondere in den USA, ist zweifelsohne mit Neo Rauch und Judy Lybke verbunden. Matthias Kleindienst hat mit seiner Arbeit als Galerist ebenso viel beigetragen.

Wo sehen Sie die Leipziger Kunst heute?
J.F: Erfreulicherweise gibt es ein paar Leipziger Malerinnen aus den Spinnerei-Galerien, die auf dem guten Weg sind, sich international einen Namen zu machen. Es sind auch regelmäßig Museumsdirektoren aus den Niederlanden in der Spinnerei, um überzeugende Arbeiten mitzunehmen. Es hat sich in den letzten 20 Jahren ein neuer junger Mittelstand in Leipzig entwickelt, bei dem es zum guten Ton gehört, Kunst aus den Spinnerei-Galerien an den Wänden zu haben. Auch haben die Galerien ihre Kunden aus- und weitergebildet und aus neugierigen Käufern sachkundiges Kunstpublikum erzogen.
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Zur Person: Josef Filipp
Josef Filipp wurde 1950 im niederbayerischen Pocking geboren. 1974 machte er sein Diplom als Ingenieur, bis 1977 arbeitete er als Assistent an der Technischen Universität München, Von 1977 bis 1995 war Filipp Inhaber einer Gastronomiefirma in München. Ab 1985 kuratierte er zahlreiche Ausstellungen.
1996 zog Filipp nach Leipzig, war Mitarbeiter in der Galerie für Zeitgenössische Kunst, von 1998 bis 2006 leitete er den Kunstverein Leipzig. 2006 bis 2022 hatte er eine Galerie in der Spinnerei.


Sehen Sie auch ungünstige Entwicklungen in Leipzigs Kunst?
J.F: Die HGB ist in den letzten Jahren mehrmals hintereinander auf ihrem Weg falsch abgebogen. Die Personen hätten bereitgestanden, um eine der renommiertesten Ausbildungsstätte in der Kunstwelt zu entwickeln. Was hier vergeigt wurde, kann weder die Burg in Halle noch die HfBK in Dresden auffangen. Zum Glück gibt es die Spinnerei-Galerien. 

Wo ist denn Ihrer Meinung nach falsch abgebogen worden?
J.F: Ich denke etwa an die Nachfolge Neo Rauchs – Michaël Borremanns wäre bereit gewesen – und an die Weiterbeschäftigung von Christoph Ruckhäberle, seine Professur ist gerade ausgelaufen. Vielleicht sollten einige HGB-Entscheiderinnen und - entscheider mal den Namen ihrer Schule durchbuchstabieren: Hochschule für Grafik und Buchkunst.

Die Räume für Kunst werden in Leipzig immer enger. Wie gefährlich ist das?
J.F: Im Vergleich zu anderen größeren Städten steht Leipzig in der bildenden Kunst recht souverän da. Ähnlich gute Angebote für Förderungen und Stipendien wie in Sachsen gibt es in den anderen Bundesländern kaum. Es gibt immer wieder interessante Initiativen, die neue Räume für Kunst auftun und bespielen. Ich sehe eher die Gefahr eines Überangebotes an mittelmäßiger Kunst. Mein Rat an Kunststudierende: Weniger Erwartungshaltung und mehr Eigeninitiative ergreifen, siehe damals die Produzentengalerie Liga.
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