Fabian Lehnert »Mola mola«
VGH galerie, Hannover
23. Juni—31. Oktober 2016

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Fabian Lehnert: Mola Mola, 2016, VGH Galerie Hannover, 23. Juni—31. Oktober 2016
/Installation View 1 /Foto: Patrice Kunte
Fabian Lehnert: Mola Mola, 2016, VGH Galerie Hannover, 23. Juni—31. Oktober 2016
/Installation View 1 /Foto: Patrice Kunte


VGH galerie
Schiffgraben 4
30159 Hannover


Öffnungszeiten:
täglich von 11:00 - 17:00 Uhr


Tiefensog und Höhenrausch
Hannoversche Allgemeine Zeitung, 2016.06.28
Lauter runde Sachen: Der Leipziger Künstler Fabian Lehnert in der VGH-Galerie

Von Daniel Alexander Schacht

Wer sich jemals durch naturkundliche Folianten des 19. Jahrhunderts geblättert hat, mag die aktuelle Ausstellung der VGH-Galerie als Déjà-vu erleben – und wäre mit der Annahme einer bloßen Wiederbegegnung doch im Irrtum. Denn die minutiösen Tier- und Pflanzenzeichnungen, die bei der VGH jetzt zu sehen sind, stammen aus dem 21. Jahrhundert. Mehr noch, sie wurden für die neue Kunstschau erst angefertigt. Ihr Schöpfer Fabian Lehnert hat sich die Galerieräumlichkeiten insgesamt vorgenommen, hat eine Wand schwarz, eine Säule mit Pflanzenschlingen und eine mit Kieselsteingewirr bemalt und so aus dem Kunstraum ein ganzes Raumkunstwerk gemacht.

Die Ausstellung trägt den Titel „Mola mola“, womit Lehnert wiederum auf traditionelle Naturkunde anspielt. Denn das ist der lateinische Name des Mondfisches, der tatsächlich auf einer der Zeichnungen zu sehen ist. Doch was heißt hier Zeichnungen? Es sind riesige Panoptiken, die Lehnert auf meist kreisrunden und teils auch angeschnittenen Kreisen auf textilem Untergrund ausführt. Und gleich, ob er Leinen oder Baumwolle als Zeichengrund verwendet – auch der Stoff trägt zur Patina des Hergebrachten bei, die seinen Arbeiten anhaftet. Dieselbe Aura strahlt auch die Kuriositätensammlung aus, die auf einem Podest in der Galeriemitte ausgebreitet ist. Da finden sich Objekt- und Setzkästen mit Steinen, Federn, Knöchelchen, ein Käfer in Acryl, ein Vogel in Spiritus, zwei Kaninchenpfoten im Glas.

Lauter Dokumente archivarischen Sammelfleißes, der auch schon im 19. Jahrhundert Voraussetzung für die peniblen Zeichnungen der Naturkundler war? Der 32-jährige Leipziger Künstler, der an der HBK Braunschweig studiert hat, versammelt auf seinen bis zu 16 Quadratmeter großen Kreisen Affe und Koalabär, lässt ein Faultier von einer Schlinge herabhängen und einen Steinbock ins Bild ragen. Neben dem Mondfisch schwimmen bei ihm Wal und Oktopus, Seeschlange und andere Fische. Und spätestens an dieser Kombination aus Weltregionen und Meerestiefen merkt der Naturkundige: Hier geht es nicht um Naturabbildung, sondern um Projektionen eines harmonischen Naturbildes. Dazu passt die geschlossene Ästhetik der Kreiszeichnungen, in deren Mitte oft auch noch ein helleres Leuchten als Perspektiv- und Sehnsuchtspunkt zu ahnen ist.

Ein Künstler im Sog der Tiefe? Vielleicht auch im Höhenrausch. Denn Lehnert löst sich auf einigen seiner Kreiszeichnungen nicht nur vollends von der Naturdarstellung und landet bei eher ornamentalen Formen figuraler Abstraktion. Auf einem seiner Halbrunde, das mit seiner unsichtbaren fehlenden Hälfte gleichsam ins Obergeschoss des VGH-Gebäudes zu ragen scheint, lassen sich die Quallen, Molusken und Seesterne ebensogut als Raumschiffe, Sternennebel oder ferne Galaxien deuten – weit oberhalb von jedem Mola mola.

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